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Die Bestattung der Erhabenheit

September 7th, 2009

 

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Von Daniel Hornuff

Michael Jacksons Beerdigung blieb den Blicken der Weltöffentlichkeit weitgehend entzogen. Nur einzelne Fotos und Filmaufnahmen– meist diffus und kaum entzifferbar, die Mehrzahl zusätzlich aus großer Höhe geschossen – fanden Eingang in die mediale Berichterstattung. Als der weltliche Körper des Königs schließlich zu Grabe getragen wurde, blendeten sich entsprechend dem Familienwunsch auch die letzten Sender aus. Schließlich gehört die – symbolische – Unvergänglichkeit zum konstitutiven Wesensmerkmal eines Königs; sie soll nicht durch allzu definitives Sargversenken geschwächt werden. Dass sie entgegen der Absicht dennoch begraben wurde, zeigt der Blick auf eine kurz darauf eröffnete Auktion, deren Zeitpunkt nicht passender hätte gewählt werden können:

Im australischen Melbourne wurde nur zwei Tage nach der Bestattung – am 5.9.2009. – das erste Element der vermeintlichen Unsterblichkeit durch das Auktionshaus Bonhams and Goodman versteigert. Es handelte sich um einen Glitzerhandschuh – zu Jacksons Hochphase sein vielgerühmtes Markenzeichen –, konkret um jenes Exemplar, das er bei seiner Hochzeit mit Debbie Rowe getragen und bei einem nachfolgenden Konzert ins Publikum geworfen haben soll. Demnächst wird es in der Las-Vegas-Hard-Rock-Hotel-Sammlung neben Erinnerungsstücken von Elvis Presley ausgestellt sein.

Wer am vergangenen Wochenende die Medienberichterstattung aufmerksam verfolgte, konnte so einer eigenartigen Verkehrung kollektiver Bilderwartungen gewahr werden: Das buchstäbliche Ausblenden des Bestattungsmoments wurde ersetzt durch die massenmediale Verbreitung eines Bildes, das in nachdrücklicher Evidenz an Damian Hirsts „For the Love of God“ erinnert. Tatsächlich liegt eine Gemeinsamkeit zwischen dem funkelnden Handschuh und dem diamantbesetzten Totenschädel in der Entfaltung einer fotogenen Wirkungsästhetik, die das jeweilige Sujet aus einem schwarzen Hintergrund konturscharf herausschneidet und bis hinein in einzelne Lichtreflexionen mit der Aura eines Mehrwerts veredelt. So scheint offensichtlich, dass Jackson und Hirst jeweils ein optisches Signifikat wählten, das erst in seiner eigenen Fotoreproduktion zur eigentlichen Bildkraft zu gelangen vermag.

Jacksons Tod, der bereits heute sämtliche Konturen des Mystischen trägt, wird folglich durch ein individuelles und zugleich königliches Attribut überdauert, das zeitlebens in bekannter Pose am maskulinen Allerheiligsten fühlen durfte. Ähnlich Hirsts Arbeit schimmert hier die Bildinszenierung einer Erhabenheit auf, die als Manifestation eines Transzendenzanspruchs gelten will.  

Doch diese Bildkonfrontation konturiert die – entscheidende – Differenz: Hirsts Totenschädel legitimiert sich vor allem durch den erzielten Preis, den der Künstler als Teil der Investmentgruppe bekanntlich selbst mitgestaltete. Der Totenschädel ist das Objekt eines Kunstverständnisses, das sowohl bereits in der Romantik als auch in der Avantgarde auf das Postulat des ´radikal Anderen´ setzte. Hirst realisierte einen ästhetischen Ausnahmezustand folglich mittels des Auktionsertrags von 50 Millionen Pfund. In einem buchstäblich unfassbaren Surplus also, das Jacksons Handschuh fehlt: Obwohl die Erwartungen der Auktionatoren um das Doppelte übertroffen wurden, kam er umgerechnet nicht über vergleichsweise magere 34.000 Euro hinaus.

Kann also Hirst durch den Preis das Erhabenheitspostulat eindrücklich entfalten und damit an das für die Kunst der Moderne charakteristische Unermesslichkeitsgebaren anknüpfen, so zerfällt Jacksons Unendlichkeitsanspruch – erneut – beim Thema Geld. Obwohl die visuellen und symbolischen Voraussetzungen gegeben und damit die popkulturellen Erfolgsbedingungen eingelöst schienen, verweltlicht und relativiert der Preis den erhofften Unsterblichkeitsgewinn fatal. Der diamantbesetzte Totenschädel hingegen designed den Kapitalismus über den symbolischen Tod hinaus und verspricht damit tatsächlich einen überdauerenden Mehrwert, der selbst herrschenden Wirtschaftsordnungen noch eine artifizielle Gestaltkraft abzuringen vermag. Jackson hingegen schien als passionierter Autoplast die Idee der Vanitas zu sehr inkorporiert und damit auch ihren Symbolgehalt der definitiven Vergänglichkeit preisgegeben zu haben.

Bildquellen: 1 Michael Jackson, Handschuh, aus: AFP, siehe hier; 2 Damian Hirst, For the Love of God, siehe hier.