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Bilder ordnen Bilder

September 14th, 2009

Von Simon Bieling

Bilddateien sind keine Bilder, wie Claus Pias überzeugend klargestellt hat. Sie sind lediglich Möglichkeiten zu Bildern. Und erst seit es möglich ist, nur ‘Bildmöglichkeiten’ zirkulieren zu lassen, mithin elektronische Dateien, konnten sich jene digitalen Bildwelten entfalten, mit denen wir heute beinah täglich zu tun haben. Schon sind wir kaum noch überrascht, wenn wir in kürzesten Zeitabständen, identische Bilder in verschiedensten Bildumgebungen des Internets antreffen. Abgesehen von den erstaunlichen Zugriffsmöglichkeiten auf jegliche Art von Bildern, über die wir heute verfügen, ist jedoch auch eine andere resultierende Konsequenz von hohem Interesse. Wenn Bilder in großer Schnelligkeit zur Anzeige gebracht werden können, liegt es auch nahe, Bilder nicht mehr nach Begriffen, sondern wiederum nach Bildern zu ordnen. Sind die technischen Voraussetzungen deshalb gegeben, ist es kaum verwunderlich, dass dafür mit Panoramio und flickr schon erste Beispiele vorliegen. Sie machen gleichsam die Galeriebilder David Teniers’ aus dem 17. Jahrhundert auf überraschende Weise alltagstauglich.

Trotz historischer Vorläufer sind wird jedoch noch weitgehend ungeübt darin, Bilder uns auch in flächenhaften, bildlichen Strukturen verfügbar zu machen. Meist organisieren wir Bilder nach Kategorien oder auch in Chronologien im Fall von Nachrichtenbildern. Stets steht dabei der Wunsch im Vordergrund, unsere Bild-Präferenzen möglichst gut abzubilden und nach diesen, Bilder in ihrer Wichtigkeit zu bewerten und uns zugänglich zu machen.  Je mehr wir aber wie heute beginnen, zentrale Überzeugungen, aufgrund derer wir unsere Handlungen koordinieren und uns Orientierungen verschaffen, auch auf Bildzusammenhänge zu stützen, scheint es angebracht, Bilder nach Bildern zu ordnen und nicht mehr nur nach thematischen und zeitlichen Gesichtspunkten.

Aus diesen Gründen sind die verschiedenen aktuellen Versuche Bilder in Bildkarten zu verorten von so hohem Interesse und nicht als einfache Spielerei abzutun. Sie sind insofern richtungsweisend als hier erste Versuche vorliegen, Bilder innerhalb von Bildern zur Unterscheidung anzuordnen. Dabei setzt jeder, der sich auf solchen “Bildkarten” zurechtfinden will, die Bildperspektiven der Satellitenbilder und der an verschiedenen Punkten auf diesen angeordneten Bilder in einen Wechselbezug zueinander. Wer hier sich auf Bildersuche begibt, wird differierende Perspektiven auf einen übereinstimmenden Bildgegenstand zurückführen. Das ist die Voraussetzung: Nur dann wird man bestimmte Bilder bestimmten Orten und bestimmte Orte bestimmten Bilder zuordnen können.

Mit den “Bildkarten” dieser Art deutet sich das Entstehen neuer Bildkonventionen an, die derzeit noch allein vom Luftbild erfüllt werden. Zu erwarten sind neue Bildmodi, die nicht etwa Darstellungen von Ereignissen oder Personen zur besseren Lesbarkeit standardisieren, sondern sich zur Organisation und Unterscheidung anderer Bilder besonders gut eignen. Über sie zu verfügen, könnte dabei nicht zuletzt auch von einem nicht geringen ökonomischen Interesse sein – wie derzeit durch Google schon deutlich wird. Welche Bildproduzenten sich dabei durchsetzen, wird jedenfalls durch die Fähigkeit entschieden werden, Bilder danach beurteilen zu können, ob sie aufgrund ihrer Gestaltung bestimmte Überblicksfunktionen besser oder schlechter erfüllen. Dass Luftbilder dafür zunächst naheliegende Kandidaten sind, liegt auf der Hand. Ihre Prädisposition, Bilder an bestimmte Orte zu knüpfen, bildet jedoch nur ein mögliches Organisationsprinzip, das visuell angelegt werden kann. Nichtsdestoweniger regen sie schon heute dazu an, Orte verstärkt nach ihrer Fotogenität zu beurteilen und zugleich Bildvarianten identischer Bildgegenstände einem vergleichend differenzierenden Urteil zu unterziehen.

Quellen:
Abbildung: Bildschirmfoto, 14. September 2009, hier.

Claus Pias, “Das digitale Bild gibt es nicht – Über das (Nicht-)Wissen der Bilder und die informatische Illusion,”
in: zeitenblicke 2, Nr. 1, 2003, hier.

Ebenso zu diesen Fragen:
Stefan Heidenreich, “Drei Thesen zum Iconic Turn,” www.iconic-turn.de, 3. 1. 2009, hier.