Posts Tagged ‘Jordan’

Die Jumpologie des Miroslav Klose

October 12th, 2009

Von Simon Bieling

Abhebende Sporthelden, die per Bild in ewiger Schwebe bewahrt werden, um ihre Fähigkeiten zum Unmöglichen unter Beweis zu stellen und ebenso zu feiern, sind wohl bekannt. So ist es keine Übertreibung festzustellen, dass einst Michael Jordan seine gesamte Karriere auf den Aufnahmen aufbaute, die ihn fern des Erdbodens und unbedrängt von Konkurrenten zu präsentieren vermochten. (vgl. hier, hier und hier)  So ist auch Kloses Salto der letzten Woche ein Sprung in die visuelle Sphäre der sportlichen Lufthelden, ein Versuch, sich im Bild von der Realität des Fußballplatzes unabhängig zu präsentieren. Doch zuletzt gab es für Klose wenig Gelegenheit zum Torjubel fern des Rasens. Und auch der beißende Spott des strengen Vereinspräsidenten Franz Beckenbauers nach einem verpatzten Torsalto mit Verletzungsfolgen, hat Kloses Versuch, sich dauerhaft visuell als Luftprominenz zu platzieren  in weite Ferne gerückt.

Der Sprung in die Luft ist visuell nicht auf den Sport begrenzt und Kloses Saltojubelszenen knüpfen an längere Bildtraditionen an. Bekannt sind etwa die Aufnahmen des Fotografen Philippe Halsman. Seit er Edsel Ford und deren Schwiegertocher in den fünfziger Jahren und später Marylin Monroe, Walter Gropius oder Brigitte Bardot zum Sprung vor der Kamera überreden konnte, hielt ihn nichts mehr davor zurück, sich selbst den Titel eines Jumpologisten zuzuerkennen (vgl. dieses Buch). Die einst von Halsman zur Starinszenierung genutzte Bildidee hat aber offensichtlich auch Eigenschaften, die sie als Bildmodus für Bildgemeinschaften auf flickr attraktiv machen. Sie ist einfach, prägnant und ohne viele Schwierigkeiten und Fähigkeiten jederzeit wiederherzustellen und weiterzuentwickeln. Das hat ihr auf flickr eine große Anhängerschaft beschert.

Kloses ritualisierter Luftauftritt und saltobasierte Jumpologie sieht sich so gleich dreifacher Konkurrenz ausgesetzt. Gegenüber Jordan wirkt seine in der Luft präsentierte Kugelsprung eher behäbig und daher Jordans beinah sorgfältig choreografiert wirkenden Sprungfiguren im Luftraum unerreicht. Um andererseits mit den eher am Bildwitz als an sportlicher Dynamik orientierten Starbildern Halsmans mithalten zu können, fehlt Klose jedoch wiederum die Fähigkeit, leicht und elegant im Bild zu erscheinen. Im Bild wirkt es, als ob Klose in jeder Faser Anstrengung vollbringen müsste, um den Salto auszuführen. Für die flickr-Nutzer wiederum ist dagegen ein anderer Nachteil offensichtlich: im Gegensatz zu Halsman eignet sich der Bildsprung Kloses natürlich kaum zur einfachen Adaption und Nachahmung. Mit einer Bildkarriere auf flickr wird Klose kaum rechnen können.

Kloses Torsalto konnte so in den letzten Tagen nur deshalb Erwähnung finden, weil sein Sprung auf bereits vorbereitetes Aufmerksamkeitsterrain traf (vgl. die Tageszeitungen hier, hier, und hier). Auch bei häufigerem Torerfolg bei Klose und auch dann wenn Klose nun doch wieder bei jedem Tor im Stadion die Luftkugel aufführte, ist jedoch unsicher, ob der Salto geeignet ist, als prägnantes und überzeugendes Markenzeichen zu fungieren. Bei Klose sind visuelle Zeichen eines sportlichen Helden mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten und dennoch leichtfüßiger Eleganz nicht zu entdecken.

So hat Klose zwar verstanden: Wenn schon bald jeder per Bild in der Luft zu stehen in der Lage ist, muss die Bewegung in der Luft beim Spitzensportler schon einiges an Raffinesse, Kompliziertheit und Wagemut aufweisen, dass das entstehende Bild noch für Titelseiten und Fernsehaufnahmen geeignet ist. Dennoch bedarf es zusätzlich der Eleganz und der visuellen Dynamik. Dem ohnehin schon derzeit eher erfolglosen Klose könnte also möglicherweise in Zukunft noch mehr Spott zukommen, wenn er nicht bald zu einer bildaffineren Jumpologie findet oder die Inszenierung des Jubels mit anderen besseren Bildmitteln fortsetzt.

Bildquelle: hier.

Mehr zu Halsman: hier.