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Maultäschle, Dr. Miriam Meckel und die Marquise de Pompadour

October 20th, 2009

Von Daniel Hornuff und Simon Bieling

Offenbar geht es unerbittlich zu: Wenn Miariam Meckel und ihre Partnerin Anne Will einen roten Teppich betreten, wird scharf geschossen. “Ich blicke in 100 Augenpaare”, so Meckel in einem Artikel, “versteckt hinter 100 Linsen. 300 Augen und Linsen starren zurück. Die gesellschaftliche Promenade hat die Form eines Spaziergangs, diese hier ist ein Spießrutenlauf”. Daher gäbe sie und ihre Partnerin bei derartigen Anlässen gerne “das Ballett der ungeschlüpften Küken” - meistens sei es aber schlicht ein “Kampf”, doch “als Paar koordinieren wir den Stress”. Oft habe sie schon mit dem Gedanken gespielt, die Hintertür zu nehmen. Doch das wiederum sei eine Form der Kapitulation: “Weil ich lieber versuchen möchte, mich zu wehren, mich vom reinen Objekt auch zum Subjekt der Betrachtung zu machen”.  

Maultäschle hatten bisher gegenüber Miriam Meckel einen entscheidenden Nachteil: sie können den Spieß nicht umdrehen, sondern sind gezwungen, die Kameras zu ertragen, die sich rücksichtslos etwa auf chefkoch.de auf sie richteten. Doch nun hat die FAZ aufgrund eines richterlichen Urteils gezeigt, dass es auch anders geht: Auch Maultaschen haben das Recht auf ein Bild der Kamera, das sie fotografiert oder videografiert hat. Dabei fragt sich: Ist das schon eine Bildkritik? Beginnt hier der Fotojournalismus sich selbst zu kritisieren? Handelt es sich hier um eine Parallele zwischen der bildwerdenden Maultasche und Meckels Versuch, die Kritik an der Bildherstellung zu vollziehen, indem sie die Bilder der Kameras zeigte, die diese Bilder herstellten? Und muss es uns nicht stutzig machen, dass die Bilder wiederum in einer Zeitschrift, nämlich im SZ-Magazin erschienen?

Das Kamerabild ist in jedem Fall das visuelle Prädikat für die herausragende Bild-Bedeutung eines Gegenstands. Im fortgeschrittenen Zeitalter der Medienproduktion unterscheiden die Medien möglicherweise selbst zwischen Gegenständen, die sie einfach nur so zeigen und solchen, bei denen zusätzlich zur Sichtbarkeit gelangt, dass weitere Kameras anwesend waren.

Doch eine weitere Deutung ist möglich. Bei ihr kann uns Marquise de Pompadour helfen. Diese schminkte sich nämlich öffentlich, festigte damit ihr Prestige als ästhetisches, selbstgestaltetes Objekt und unterstrich – buchstäblich – ihr höheres Recht auf Künstlichkeit. Was die Marquise am Schminktischen in aller Öffentlichkeit tat, geschieht in ähnlicher Weise durch die Koalition zwischen Maultasche und Kamera: Wenn Bildmedien ihre Bildfähigkeit und Bildherstellungskompetenz von Zeit zu Zeit unterstreichen, so tun sie dies, indem sie ihre Instrumente und ihren Anspruch als visuelle Produktionsinstanzen buchstäblich ins Bild setzen.

Damit ist, so wäre der Gedanke zuzuspitzen, die Voraussetzung geschaffen, das Bildmotiv zu autorisieren. Wer visuell Zeugnis darüber abzulegen vermag, dass bereits die eigene Bildwerdung ästhetischen Ansprüchen genügt, muss sich um das Endergebnis wohl keine Gedanken machen. Demnach dreht Meckel den Spieß um, und berichtet über das Fotografiertwerden; die Relevanz der Maultasche wird dagegen durch eine beigestellte Kamera zertifiziert; und die Marquise erkannte die Bildpotenz, die ihrem eigenenVeredelungsprozess zu entlocken war. In allen Fällen macht sich also das Medium selbst zum Thema und liefert demnach Argumente für eine wohlwollende – anerkennende – Auswertung des Ergebnisses.