Politporträts in Serie

Von Simon Bieling

Vor Kurzem wies der kanadische Kulturwissenschaftler Grant McCracken auf den folgenreichen Lapsus einer Werbeagentur hin. Ein Schauspieler war für einen Werbespot für IBM engagiert worden, der kurz zuvor für Castrol Motor Oil aufgetreten war. McCracken gibt hinsichtlich des Falls zu bedenken, dass ein Unternehmen wie IBM durch Einsatz des gleichen Schauspielers in Vergleichszusammenhänge gebracht wird, von denen es sich eigentlich distanzieren möchte.

Ähnliche Probleme gibt es jedoch auch in anderen Bereichen, etwa in der Politik. Politiker sind Figuren in der medialen Öffentlichkeit, die ihr Bild stets nicht nur zu verschiedensten Kontexten kontrollieren, sondern auch stets einberechnen müssen, dass jeder Bildauftritt Auswirkungen jeweils darauf hat, wie folgende bewertet werden. Politische Karrieren sind heute nur dann erfolgreich zu gestalten, wenn der Ausgestaltung eines Bildnarrativs höchste Aufmerksamkeit gewidmet wird. Es handelt sich für Politiker weniger darum, allein bei einzelnen Auftritten besonders überzeugend im Bild zu erscheinen. Vielmehr muss der jeweilige Auftritt im Zusammenhang eines Narrativs verschiedenster Bilder sinnvoll erscheinen. Entsprechend zeigte sich Guido Westerwelle am letzten Sonntag in triumphalen Posen. Halb seinen Anhängern zuwinkend, halb den eigenen Wahlgewinn über die unterlegenen politischen Gegner anzeigend, reckt er entsprechend des Anlasses seine Arme zur Triumphgeste empor (vgl. auch den griechischen Wahlsieger Papandreou). Beinah eine Woche später zeigt er sich mit Merkel vor dem Hintergrund des mit Kunst geschmückten Kanzleramts schon gelassener und mit weniger Expressivität. Dennoch beurteilen wir die Aufnahmen Westerwelles und Merkels im Kanzleramt weniger für sich, sondern noch im Zusammenhang mit den Bildinszenierungen des Wahlabends. Ein politisches Porträt in Serie wird so von beiden Parteien durch die Medien entwickelt: Die triumphierenden Porträts der einen Woche ergänzen und unterstützen gleichsam die gelasseneren Porträts im bundesrepublikanischen Machtzentrum des Kanzleramts in ihrer Überzeugungskraft.

Auch die unterlegene SPD, nach der Wahl dem Recht auf triumphale Bildgesten überdeutlich entbunden, ist selbstverständlich vor die Herausforderung gestellt, Porträtnarrative ihrer politischen Spitzenkräfte zu gestalten. Noch bevor Sigmar Gabriel im November zum Parteivorsitzenden kandidiert, ja nominiert worden ist, konfrontiert ihn die Bildzeitung schon mit einer Porträtgalerie der bisherigen SPD-Vorsitzenden. Die Zeitung fordert ihn damit heraus, es mit der Porträthistorie der SPD-Vorsitzenden aufzunehmen. Gabriel ist so bereits vor seiner Wahl aufgerufen, sich und sein Bild von den Bedeutungen zu differenzieren, die wir mit den ehemaligen Vorsitzenden der Partei verbinden. Der Wechsel an der Spitze der Partei wird damit nicht nur ein personeller Wechsel sein. Er ist nicht zuletzt auch ein ‘Bildwechsel’, mit dem die Hoffnung verbunden ist, an das Porträtnarrativ des SPD-Vorsitzenden neue Bedeutungen anzuknüpfen. Bezüglich flickr hat Gabriel übrigens besonderen Aufholbedarf: Ob er bald wie Merkel, die seit Kurzem mit einer ihr gewidmeten Gruppe unter dem Titel Merkelizer auftrumpfen kann, mit einer Gruppe mit dem Namen Gabrielizer rechnen kann, ist fraglich.

Neben der parlamentarischen Opposition wird sich Gabriel so auch um eine erfolgreiche Bildopposition zu bemühen haben, eine Sorge, die Guido Westerwelle nicht teilt. Er arbeitet dagegen bereits emsig daran, sein Bildnis dem Porträtnarrativ des Außenministers anzupassen: Sein „Bildgipfel“ zur Rekonstruktion einer historischen Aufnahme mit Hans-Dietrich Genscher, hat trotz seiner öffentlichen Zurückhaltung gleichsam indirekt seinen Anspruch mehr als deutlich gemacht. Westerwelles vorauseilende Bildstrategie fußt auf dem Verdacht, dass demjenigen, der im Bild dem früheren Außenminister schon vor zwanzig Jahren schon so nahe war und es heute wieder ist, man den Posten trotz Schwächen in der englischen Sprache kaum abschlagen kann. Ob dies Erfolge zeitigt, wird abzuwarten sein.

Bildquelle: Die Presse, hier.

One Response to “Politporträts in Serie”

  1. [...] Vgl. außerdem zum Thema: Simon Bieling, “Politporträts in Serie”, siehe hier. [...]

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